Die Grenze zum Irak ist immer wieder ein Abenteuer und voller Überraschungen.
Für den Rückweg in die Türkei entscheiden wir uns, die Strecke über Jordanien zu nehmen. Für Jordanien benötigen wir kein Visum, dafür knöpfen sie uns einen satten Betrag für eine Kfz-Versicherung und eine Art Fahrgenehmigung ab. Bei der Einreise hatten wir auch noch das Glück, dass sie unser Satellitentelefon und das Fernglas entdeckten, große Aufregung und über eine Stunde wurden wir mit Fragen gelöchert, woher, wohin, warum. Am Ende entdeckten sie auch noch unsere Kameras und fragten nach einer Drohne. Ich ignorierte die Frage und lenkte ihr Interesse auf die Kameras, jeder wollte durch den Sucher blicken und war sichtlich über den geringen Zoomfaktor des Objektivs enttäuscht. Weiterfahrt war dann endlich erlaubt.
Wir schenkten uns noch zwei Tage zum Ausruhen am South Beach kurz vor Aqaba. Bewusst statteten wir den jordanischen Highlights wie Petra und Wadi Rum keinen Besuch ab, zu sehr waren wir gesättigt von den traumhaften Landschaften in Saudi. Und außerdem ging mir die ewige Eintrittsabzocke gegen den Strich, denn wir reden hier nicht von 5-10 Euro, sondern schnell mal 40 Euro, und wir freuten uns auf den Irak.
Wir fuhren in knapp zwei Tagen an die Grenze zum Irak, 700 km und meist öde flache Wüstenlandschaft. Der Grenzübergang liegt mitten in der Wüste und zeigt sich als ein unübersichtliches Gewirr an Gebäuden und Baracken, aber mit einem kleinen Supermarkt einem Duty-Free-Laden und wir bekamen sogar eine SIM-Karte.
Am Eingangstor deutete ein Grenzer in Uniform gelangweilt das typische Handzeichen für Passport an und aussteigen. Es wurden die ersten Daten aufgenommen: Name, Fahrzeug, etc. Damit es etwas schneller geht, durfte ich es selbst in das große Buch eintragen. Dann weiterfahren. Wir landeten jetzt an der eigentlichen Zollstation und wurden von fünf Mann hoch mit viel Gelächter empfangen, zwei in Uniform, einer im Kaftan und zwei weitere in Jeans und T-Shirt. Wieder aussteigen und die übliche Passkontrolle mit den üblichen Fragen woher?, wohin?, warum?. Es folgte die Fahrzeugkontrolle, Kabinentüre auf, reinschauen, fertig. Man wusste nie wer was ist, ein Zollbeamter oder der Cousin des Beamten, der gerade auf Besuch ist, die Uniformierten sind, das wussten wir aus Erfahrung, diejenigen die am wenigsten zu sagen haben.
Wir wurden angewiesen, das Fahrzeug seitlich zu parken und uns in das Zollgebäude zu begeben. Wir waren übrigens das einzigen Fahrzeug an der Grenze. Im Gebäude, eine kleine Schalterhalle, und erstmal warten, aber nicht lange, dann erschien ein Uniformierter und man glaubt es kaum - er sprach ein leidliches Deutsch. „Hier bekommen sie ihre Visa, aber erst müssen sie das CDP (Carnet des Passages) erledigen, dann kommen sie zu mir zurück und sie erhalten ihr Visa.“ Klingt gut, dachten wir. Der bearbeitende Beamte befindet sich in einem Gebäude, so ca. 300 Meter entfernt, geht also die Lauferei schon wieder los. Auf dem Weg dorthin passierten wir den Supermarkt und checkten die Stelle für die SIM-Karte. Jetzt heisst es, das richtige Gebäude finden was, uns bereits beim zweiten Versuch gelang, das richtige Zimmer war auch schnell erfragt. Der Beamte, nicht in Uniform, begrüßte uns freundlich, drückte uns eine Flasche Wasser in die Hand und bat uns uns zu setzen. Nach Ablauf von ca. 20 Minuten und etlichen Telefonaten wurde uns erklärt, der bearbeitende Beamte komme gegen 16 Uhr, es war kurz vor 15 Uhr. Auch gut, dann können wir in der Zwischenzeit Geld tauschen und SIM-Karte besorgen, ich war dann sogar noch beim Barber zum Rasieren. Pünktlich um 16 Uhr standen wir wieder auf der Matte. Nach einer kurzen Wartezeit wurden wir an ein weiteres Büro verwiesen.
Auch hier erst mal warten, dann wurde das CDP und der Fahrzeugschein gefordert und es folgte eine endlose Tipperei in den Rechner, einerseits verständlich, lateinische Buchstaben zu tippen sind sie eben nicht gewohnt. Abschließend musste ich einen Ausdruck unterschreiben, wusste natürlich nicht was ich da unterschrieb, alles auf Arabisch, aber was soll’s.
Nach der Unterschrift wurde mir erklärt, dass jetzt eine Sieben-Stationen-Prozedur beginnt, die abgearbeitet werden muss, aber keine Sorge, das erledigt ein Beamter für uns. Ob das ein Beamter war oder irgendein Laufbursche kann ich natürlich nicht sagen. Die Erledigung dauert ca. 90 Minuten, ich kann auch mitkommen wenn ich möchte, hab ich abgelehnt. Wir parkten inzwischen vor dem besagten Gebäude und sahen den jungen Mann immer wieder kommen und gehen. Es hätte auch mit den 90 Minuten gepasst, hätte sich nicht ein Tippfehler eingeschlichen, was zur Folge hatte, dass einige Stationen nochmal angesteuert werden mussten. Es waren dann so 2 Stunden bis alles abgearbeitet war.
Es war nun Zeit, dass wir das Visum bekommen, also zurück zur ursprünglichen Zollstation. Auf dem Weg dorthin erfolgte das was ich schon erwartet habe: unser Freund wollte 50 Dollar für seine Dienste. Inzwischen hat sich noch ein weiterer Typ zu uns gesellt und irgendwie waren die Beiden verbandelt. Ich machte ihm deutlich, dass ich keine 50 Doller bezahlen werde und auch keine 30 und keine 25, so war nämlich seine nachfolgende Verhandlungsstruktur. Ich bot ihm 10 Dollar, auf die er sich nach ewig langem Palaver, wobei keiner den anderen verstand, einließ. Er kassierte, übergab uns die Papiere und verschwand. Jetzt übernahm unser zweiter Freund die Führung. Im Zollgebäude war nach dieser Zeit natürlich niemand mehr.
Jetzt mussten die Verantwortlichen in ihren Privatquartieren aufgesucht werden. Es waren nämlich vor Ausstellung des Visums noch etliche Stempel notwendig, und das dauerte bis alle abgeklappert wurden. Wir hatten keine Ahnung, was da alles passiert, wir trotteten nur unserem Freund hinterher und landeten schließlich in einem Büro mit einer etwas vornehmeren Ausstattung und konnten auf einem bequemen Sofa Platz nehmen. Es gab Tee und wir mussten warten. Dann erschien der große Meister im Adidas-Trainingsanzug und setzte sich an seinen Schreibtisch. Uns wurde bereits im Vorhinein verdeutlicht, dass wir den großen Boss erwarten.
Erstmal wieder Palaver mit unserem Freund, was reden die nur ständig, muss ich mich dabei immer wieder fragen. Schließlich ging es dann los, es wurde geschrieben, gestempelt, kopiert, wieder gestempelt, zwischendurch Fragen Almanyi? woher?, wohin? warum?, hier weiss die linke Hand wirklich nicht was die Rechte tut. Und es wurde bezahlt- 78 Dollar pro Person cash versteht sich und 1-Dollar- und 5-Dollar-Scheine werden nicht angenommen. Es war mittlerweile schon fortgeschrittener Abend und langsam fing es dann doch an etwas zu nerven. Nachdem alles gestempelt und kopiert und somit erledigt war, verabschiedete sich der große Meister und verließ das Büro. Und wir warteten wieder, Nerventraining pur. Aber schließlich übergab man uns die Pässe, das CDP und einige Zettelchen, werden sicherlich noch benötigt, möglicherweise sogar bei der Ausreise, also gut aufheben.
Wir wurden entlassen und unser Freund begleitete uns zu unserem Fahrzeug, und klar, jetzt wollte er Bakshish, Birgit erledigte das mit dem Rückgeld des Visabetrages, umgerechnet zwei Dollar. Ich hatte keinen Nerv mehr.
Das Zollgelände konnten wir aber nicht verlassen, die Tore waren dicht. Eine Fahrt bei Nacht ist für uns ohnehin keine Option, aber ich hätte gerne das letzte Gate hinter mir gelassen, denn hier benötigen wir mit Sicherheit wieder irgendeinen Zettel neben Passkontrolle und Fahrzeug-Check.
Am nächsten Morgen waren wir pünktlich am Gate, denn zu dieser Zeit sollte der Konvoi mit Militärbegleitung starten, wir waren das einzige Fahrzeug.
Erstmal war niemand am Gate, also klopfte ich an der angrenzenden Baracke in der Hoffnung, dass dies das Quartier unseres Gatewächters ist. Nichts tat sich, also wieder zurück zum Fahrzeug, in dem Moment signalisiert mir Birgit, ich sollte mich mal umdrehen. Ich drehte mich um, wer stand da, unser Gatewächter in weißen Unterhosen und Unterhemd und erklärt mir auf Arabisch das ich mit: „Komme sofort“ interpretierte.
Es dauerte tatsächlich nicht lange und er stand in Uniform an unserem Fahrzeug. Das übliche Gelabere, Passkontrolle und Fahrzeug-Check, und einer dieser Zettelchen war nötig, dann aber die finale Weiterfahrt.
Wir hielten Ausschau nach einem Militärfahrzeug, das uns begleiten soll, so wurde uns das am Tag davor immer wieder verständlich gemacht, aber da war nix. Wir machten uns auf den Weg ohne Militärfahrzeug. Nach ca. 10 km wieder ein Checkpoint, Passkontrolle, Fahrzeug-Check und keiner fragte nach dem Begleitfahrzeug. Wir setzten unsere Fahrt fort, die Straße war passabel und wir konnten unsere gewohnte Höchstgeschwindigkeit von 80-90 km/h recht gut halten, und Verkehr gab es erst mal keinen, wir waren alleine unterwegs. 500 km hatten wir nun vor uns bis kurz vor Bagdad, dort wollten wir dann Richtung Süden nach Karbala, Babylon und Najaf und dann erst wieder zurück nach Bagdad.
Die Landschaft war einsame, öde Wüste. Was uns jetzt auffiel waren diese kleinen Militärbefestigungen entlang der Strecke, alle in Sichtweite zueinander. Oft waren es nur zu einem Viereck aufgeschobene Sand-Barrieren mit einem kleinen Aussichtsturm, ein andermal richtig kleine Forts mit kleinen Wachtürmen an jeder Ecke und der etwas höhere Aussichtsturm. Manche erinnerten mich an kleine Ritterburgen und sahen oft recht hübsch aus.
Aber dann nach ca. 250 km ein größerer Checkpoint und das Erstaunen war groß: da kommt ein Fahrzeug ohne Begleitung. Jetzt ging es wieder los, das große Palaver und Telefonieren und Passport und Fahrzeug-Check, aber alles sehr freundlich. Uns tat die Pause ganz gut und dann wurden wir aufgeklärt, dass in ca. einer Stunde ein Militärfahrzeug erwartet wird, das uns begleiten soll. Das Fahrzeug war zu meinem Erstaunen bereits nach einer halben Stunde zur Stelle und schon ging es weiter. Erstmal mit 40 km/h bis ich schließlich das Militärfahrzeug überholte und mit 80 km/h weiterfuhr. Das war von unserer Begleitung auch schnell verstanden, jetzt überholten sie uns und hielten die 80 km/h ein. Alle gefühlte 40 km wurde das Fahrzeug und die Besatzung gewechselt, verbunden mit einer kurzen Pause. Die Fahrzeuge teilweise bewaffnet und mit einem Soldaten auf der Pritsche, vermutlich erbeutete Pick-ups der IS. Der Grund für die Begleitung ist die riesige und extrem einsame Wüstengegend und es sind immer noch Rebellengruppen unterwegs, so die Auskunft der Soldaten.
Kurz vor Bagdad vor der Abbiegung nach Süden endete die Begleitung allerdings nach fast einer Stunde Palaver, es erschien sogar einer in blauer Uniform mit 3 Sternen und Kordelbesatz und der wollte nochmal alles genau wissen. Es dämmerte schon und wir kamen endlich los.
Wir waren jetzt auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz und da erlebten wir zu unserem Erstaunen die erste Überraschung.
Von der Hauptstraße gab es immer wieder Abzweigungen zu kleinen Siedlungen, die über ein bewachtes Eintrittstor zugänglich waren. Aber keiner der Torwächter ließ uns durch, wir saßen auf der Hauptstraße fest. Es war mittlerweile stockdunkel bis wir eine unbewachte Abzweigung fanden und wir folgten der extrem holprigen Straße in der Hoffnung, einen Stellplatz zu finden.
Seitlich der Straße tauchten immer mehr Straßenhändler auf, die Ihr Obst und Gemüse anboten und der Verkehr nahm zu, alles in völliger Dunkelheit, keinerlei Beleuchtung an den Verkaufsplätzen. Schließlich fanden einen Platz vor einem Gebäude und parkten erstmal. Ich stieg aus und erkundete die nähere Umgebung.
Knapp hundert Meter von unserem Standort ein Polizeiposten. Da frag ich jetzt mal ob wir hier Übernachten dürfen. Ich traf auf drei Bewaffnete in voller Kampfmontur und mit erstaunten Augen. Dauerte einige Zeit, bis ich ihnen verständlich machen konnte, was mein Anliegen ist. Also klar, erstmal Passport und dann ging es wieder los: Palaver, Telefonieren, wieder Palaver, inzwischen hatten sich weitere Polizisten in Zivil angesammelt, alle sehr freundlich.
Das Ende vom Lied, hier können wir auf keinen Fall bleiben, viel zu gefährlich, viele Rebellengruppen sind hier unterwegs, ich muss nach Bagdad. Aber ich bin doch hier unter dem Schutz der Polizei, machte ich ihnen deutlich. Unsere Anwesenheit erhöhe das Risiko, dass sie angegriffen werden, war die Antwort. Jetzt war ich am Ende mit meinem Latein und fing langsam an auszurasten.
Ich werde mich hier keinen Meter bewegen und sie sollen mich verhaften. Ein allgemeines Gelächter war die Antwort, wieder begann einer zu telefonieren, gefolgt von einem wilden Durcheinander. Und immer wieder wurde mir erklärt, es ist zu gefährlich, ich sollte nach Bagdad fahren, alles, das muss ich betonen verlief sehr freundlich von seitens der Polizei/Militär, der einzige der ungehalten wurde war ich.
Aber es half alles nichts, wir mussten los. Zurück auf der Hauptstraße suchten wir nach einem versteckten Platz, nach Bagdad fahren wir auf keinen Fall. Und wir hatten Glück, sehr bald entdeckten wir einen Gebäudekomplex mit einigen großen geparkten LKWs. Hinter so einem LKW können wir uns gut verstecken, so unsere Überlegung. Gesagt - getan, wir verbrachten eine ungestörte Nacht.
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