Wir hatten uns im Irak nur wenige Ziele gesetzt, denn es ist im Grunde unser Weg nach Hause.
Als erstes Karbala, zusammen mit Najaf das höchste Heiligtum der Schiiten, weiter nach Najaf zum größten Friedhof der Welt, Babylon und der in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Palast von Saddam Hussein, heute ein Lost Place. Der Abschluss, Bagdad bevor es dann weiter in den Norden geht.
In Karbala befindet sich der Schrein von Imam Hussein (3. Imam) und zusammen mit Imam Ali (1. Imam) sind sie die bedeutendsten Imame der Schiiten. Karbala war der Austragungsort der Schlacht zwischen dem sunnitischen Kalifen Yasid und Imam Hussein. Al Abbas, sein engster Kampfgefährte und Halbbruder, ist ebenfalls in Karbala bestattet. Ich möchte nicht weiter auf die Geschichte der Sunniten und Schiiten eingehen, eines möchte ich aber noch erwähnen: ein Imam ist bei den Schiiten wie bei uns der Papst, bei den Sunniten ist ein Imam der Gemeindevorsteher oder Vorbeter. Der Kalif ist bei den Sunniten wiederum wie bei uns der Papst.
Parkplätze gab es in Karbala zur Genüge, nur für uns nicht. Wir fanden keinen Parkplatzwächter, der uns auf den Parkplatz ließ, wir hörten immer nur „Police“. Wie wir später erfahren haben, war ihnen verboten, Fahrzeuge mit nicht-irakischen Kennzeichen Zugang zu den Parkplätzen zu erlauben und somit waren auch alle Diskussionen bereits im Keim erstickt.
Wir suchten in den Nebenstraßen einen passenden Standplatz und lernten dabei einen irakischen Biologielehrer kennen, der ein brauchbares Englisch sprach. Wir hatten mächtig Glück mit unserem Freund Mohammad Jawad, denn er offerierte, uns mit seinem Wagen nach Bagdad zu fahren und die Stadt zu zeigen. Wir vereinbarten mit ihm in zwei Tagen wieder in Karbala zu sein, denn als erstes wollten wir nach Najaf und Babylon.
Nach dem Besuch der beiden Schreine von Hussein und al Abbas verbrachten wir eine Nacht in Karbala und hatten zum Glück keinen Polizeibesuch, wir waren aber auch gut versteckt.
Najaf mit seinem weltgrößten Friedhof und dem Schrein von Imam Ali waren um die einhundert Kilometer entfernt. Der Friedhof ist tatsächlich eine kleine Stadt und mit dem Auto befahrbar, für uns natürlich nicht. Jedes mal, wenn wir an ein Eingangstor trafen, und davon gab es viele, wurden wir abgewiesen. Der Zufall wollte es, wir passierten ein Tor, bei dem das Wachpersonal gerade nicht zur Stelle war, möglicherweise gerade beim Beten und schon waren im Friedhof und steuerten sofort eine Nebenstraße an und nochmal eine, wir mussten jetzt nur noch wieder den Weg zurück finden. Wir kreuzten mit unserem MAN durch den Friedhof und fotografierten. Ich möchte den Friedhof auch nicht näher beschreiben, zu viele Kraftausdrücke wären nötig, ich lass die Bilder erzählen.
Der Schrein von Imam Ali war eine Anfahrts-Odyssee, wir landeten nämlich auf dem Weg dorthin vor einem Tor des Friedhofs und wir mussten ein kurzes Stück durch das Friedhofsgelände, die Alternative wäre ein weitläufiger Umweg. Verhandlung mit der Polizei stand an und nach dem gewohnten Palaver entschloss man sich, uns durch das Gelände zu eskortieren. Am Ende landeten wir bei einer Polizeistation und für mich hieß es mitkommen. Ich folgte den Beamten und wurde schließlich dem Stationsvorsteher vorgeführt, nochmals Passkontrolle, aber dann wurde ich recht schnell entlassen. Es folgte noch eine kurze Beschreibung zur Weiterfahrt und ich versuchte die links-, rechts- und geradeaus-Gestiken im Kopf zu behalten. Half aber auch nichts, die erste Straße in die wir abbiegen sollten, war gesperrt, also rechts abbiegen und die Straße wurde immer enger und belebter bis wir fest saßen. Polizisten wachsen hier aus dem Boden und ich wurde recht unfreundlich aufgefordert, sofort zurück zu stoßen. Kein Problem, dachte ich, wenn du mir die hupende Meute hinter mir aus dem Weg schaffst. Jetzt waren sie gefordert. Mit viel Geschrei und großem Tumult wurde Platz geschaffen und mir sogar ein Stellplatz in einer Seitengasse angewiesen. Dass wir zum Schrein von Ali wollten, konnte ich ihnen schnell vermitteln, der Name Ali reichte hierfür aus und das besänftigte auch die Gemüter.
Der Besuch des Schreines war nur ein kurzer Besuch, dabei bin ich immer wieder beeindruckt und auch besorgt, wie tief gläubig diese Menschen hier sind. Sie küssen den Schrein, die Wände, sogar den Boden und einige weinen. Viele sitzen auf den ausgelegten Teppichen und lesen im Koran. Als Ungläubiger fühlte ich mich etwas fehl am Platz und begab mich dann wieder zügig zum Ausgang.
Noch am selben Tag verließen wir Najaf in Richtung Babylon und erreichten es am späten Nachmittag. Babylon mit dem angrenzenden Hügel, auf dem der Palast von Saddam Hussein errichtet wurde, ist ein geschlossener Bereich und wird über eine bewachte Zufahrt mit Tor zugänglich. Zwanzig Dollar pro Person - auch kein Pappenstiel.
Es war schönes Licht und wir entschlossen uns auf den Hügel zu wandern, von dort versprachen wir uns einen schönen Überblick über Gesamt-Babylon zu haben.
Den Überblick hatten wir, aber es ist trotzdem schwer vorstellbar, wie das damals ausgesehen hat. Viele der Ruinenteile sind komplett neu errichtet worden und sehen aus wie neu. Das Ischtar-Tor ist allerdings eine Katastrophe, wenn man das Original aus Berlin kennt. Ich kenne es leider nur von Fotografien. Ich war mit meinem Freund Det in Berlin, der es unbedingt sehen wollte, ich habe mich geweigert, nachdem er mich einen Tag durch Berlin gescheucht hat. Heute bereue ich das, aber das kann man nachholen. Mir war damals auch nicht bewußt, das das Tor aus Originalteilen nachgebildet wurde und das zu einem hohen Prozentsatz.
Auch in Babylon hatten wir wieder unsere enge Begegnung mit der Polizei. Laut den Infos aus dem Internet ist es erlaubt oder geduldet, in dem geschlossenen Bereich zu übernachten, auch meine Nachfrage bei dem wachhabenden Polizisten bestätigte das. Wir waren nämlich nur kurz außerhalb des geschlossenen Bereichs, um im naheliegenden Ort etwas zu essen. Bei unserer Rückkehr hatten wir es jetzt mit fünf Polizisten zu tun, die uns strikt und diesmal auch sehr unfreundlich die Zufahrt verweigerten. Ich stieg erstmal aus dem Fahrzeug und versuchte mit Händen und Füßen zu erklären, aber die Jungs blieben stur, dann fingen sie an zu brüllen, ich brüllte zurück, das schien sie etwas zu verunsichern und wussten nicht wie die Situation jetzt zu handhaben war. Einer verließ die Gruppe und verschwand in dem Wachgebäude und kam mit seinem Chef zurück, drei Sterne auf der Schulterklappe, vielleicht der Hauptwachtmeister. Auch er erklärte mir: nicht möglich, bis spätestens 22 Uhr muss das Gelände verlassen werden. Ich ließ nicht locker, jetzt kam der Google-Übersetzer zu Hilfe. Hauptwachtmeister fing nun an zu telefonieren und auch diesmal waren plötzlich eine ganze Horde Polizisten um uns herum mit und ohne Uniform. Ich merkte bald, der Hauptwachtmeister war auf unserer Seite und besänftigte mich immer wieder bei meinen Ausrastern. Es folgten noch etliche Telefonate und dazwischen das gewohnte und lautstarke Palaver. Ich lüge nicht: nach über eineinhalb Stunden urplötzlich und völlig unerwartet wurde mir ein Parkplatz innerhalb des geschlossenen Bereichs zugewiesen, gewonnen.
Am nächsten Morgen stand ein weiteres Fahrzeug neben uns, das den Platz zum Übernachten genutzt hat und bei meiner Nachfrage, ihnen wurde sofort dieser Parkplatz zugewiesen.
Es ging zurück nach Karbala zu unserem alten Standplatz und am nächsten Morgen fuhren wir wie vereinbart mit Jawad nach Bagdad, ca. 100 km. Auf dem Weg dorthin zeigte uns Jawad eine alte traditionelle Großbäckerei mit angeschlossenem Café. Eine Unmenge an unterschiedlichen Backwaren, Gebäck sowie quietsch-bunte Kuchen wurden hier offeriert.
Das National Museum war für zehn Tage geschlossen, warum auch immer, die älteste Universität kostete 20 Dollar pro Person, wir begnügten uns, sie von außen zu besichtigen. Unser Fokus auf Anraten von unserem Freund war Alt-Bagdad mit seinen geschäftigen Straßen. Hier hätten wir tatsächlich ein Problem mit unserem MAN gehabt. Wir schlenderten durch die Straßen und ließen die Atmosphäre auf uns wirken. Betrachtet man die dem Verfall preisgegebenen kunstvoll gestalteten Fassaden der Häuser und schaltet seine Fantasie dazu, dann bekommt man eine Vorstellung von dem orientalischen Flair der hier einmal zugegen war. Heute dominiert meist der Müll und die vom Krieg gezeichneten Gebäude, trotzdem es war interessant und aufregend.
Spontan gönnten wir uns eine kurze Bootsfahrt auf dem Tigris, wenig spektakulär aber wir kamen dabei an der Statue des wohl berühmtesten irakischen Dichter Abu Tayyib al Mutanabbi vorbei. Birgit kaufte und tauschte in der Straße der Bücher von einem netten Händler eine Saddam Hussein-Banknote.
Auf dem Rückweg zu unserem Fahrzeug besuchten wir das älteste Café in Bagdad und spätestens jetzt fühlst du dich zurückversetzt in die Zeit des Bagdads des letzten Jahrhunderts.
Der Weg ging zurück nach Karbala, der Kopf geladen mit einer Unmenge von Eindrücken und Stimmungen. Aber bevor wir der Hauptstraße folgten noch ein Abstecher in das Zentrum von Bagdad, dem Platz der Freiheit, ein „must see“. Einen Platz gleichen Namens gibt es auch in Teheran mit seinem Wahrzeichen dem Asadi-Tower (Freiheit).
Wir starteten von Karbala etwas verspätet gegen 9 Uhr und der Weg führte über Bagdad, es gibt keine Umfahrung. Der nächste Stopp Samarra am Tigris mit ihrer einst weltgrößten Moschee und dem Spiralminarett. Zur Geschichte der Stadt kann ich nur sagen, hoch interessant, ich wüsste nicht wo ich hier anfangen sollte, ich lass es, Wiki läßt grüßen für diejenigen die es interessiert. Unser Besuch war nur kurz und bald verließen wir die Stadt auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz.
Nur wenige Kilometer von Samarra trafen wir auf eine riesige Befestigungsanlage, ich hätte vermutet spätes Osmanisches Reich, so gut war sie erhalten bzw. restauriert, voll daneben, es war eine alte Abbassiden-Festung und die waren um das 5. Jhdt. unterwegs. Auch hier hatten wir wieder Polizeibesuch 23 Uhr, aber ich höre jetzt auf mit meinen Polizeigeschichten. Am Morgen durften wir die Festung mit Polizeibegleitung besichtigen. Eine Menge Fragen hätte ich dazu gehabt, aber die Polizisten, null Ahnung und im Internet auch wenig Details.
Die letzten beiden Stopps Mosul und Erbil die Hauptstadt der Kurden. Von Mosul wollte ich nur einen subtilen Eindruck gewinnen, es war einst die Stadt, die vollständig vom IS eingenommen wurde, unglaublich, eine Zwei-Millionen-Stadt. Wir kreuzten ein wenig durch die Stadt, ein wilder Haufen von Betonklötzen und wenig einladend. Noch am selben Abend erreichten wir Erbil. Beim Eintritt in die Stadt erlebt man einen Sinneswandel, das ist nicht mehr der Irak, alles geordnet, keine Müllberge, keine chaotischen Baustellen, man fühlt sich fast wie zu Hause und Polizei die einen in Ruhe läßt.
Wir verbringen zwei Nächte in Erbil, besichtigen die Zitadelle zumindest von Außen, sie ist auf Grund von Renovierungsarbeiten geschlossen. Die Stadt innerhalb der Zitadelle ist angeblich 8000 Jahre alt und die älteste durchgehend bewohnte Stadt. Die Innenstadt und vor allem die Souks, blitzsauber. Tankstellen mit Euro-Diesel in unbegrenzter Menge, Geldwechsel zu korrekten Kursen und Taxifahrer, die nicht besch… Wir waren wieder mal sehr beeindruckt.
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