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Von Fes via Rif ans Mittelmeer

19. März 2023
Text: Birgit Funk

Aus dem Park sind wir relativ schnell wieder auf der Strasse zwischen Azrou und Irfane. Fes wäre auch nur zirka 60 Kilometer entfernt. Gerne hätten wir davor noch einen entspannten Platz für ein paar Tage. Der See Dayet Aaouna unweit der Strasse bietet sich laut Karte dafür an. Vor Ort stellen wir fest, dass der See in seiner Gänze ausgetrocknet ist. Darauf ein paar Reiter auf Pferd und Schafhirten treiben ihre Herden über den staubigen Untergrund. Wir finden ein schönes Plätzchen. Etwas später bleibt ein Pärchen bei uns, das gerade durchgehend schlechte Erfahrung mit Stellplätzen gemacht hat, wie es uns erklärt. Wir sind uns bezüglich dieses Platzes aber sicher. Nachts sind ein paar Einheimische allerdings anderer Meinung und erklären, es wäre unsicher hier und wir sollten wegfahren. Dazu sehen wir diesmal keine Veranlassung. Kurze Zeit später aber haben wir die Polizei mit Blaulicht auf dem Hof, die uns unter Androhung von Strafe unmissverständlich und ohne Spielraum auffordert, wegzufahren. Wir sollten an der nächsten Tankstelle übernachten. So krabbeln wir wieder aus unseren Betten und fahren. Nachts einen neuen Platz anfahren zu müssen, gehört nicht unbedingt zu unserer Lieblingsdisziplin. Es wäre wohl auch zu schön gewesen. Mittlerweile rechnen wir auch nicht mehr damit, einen Platz in der Gegend zu finden, dessen wir nicht verwiesen werden.

Deshalb starten wir am nächsten Tag auch direkt schon nach Fes durch. Je näher wir Fes kommen, desto dichter wird der Verkehr, eleganter werden die Häuser und internationaler die angesiedelten Firmen. Wir wollen die Tanneris, die Gerbereien, besuchen. Strategisch günstig wäre das Bab Bou Jeloud, das Blaue Tor, dafür. Der in der Karte ausgewiesene Campground in der Nähe existiert nicht (mehr). Mangels Alternativen stellen wir uns an den Strassenrand und warten auf einen Schlepper. Es dauert auch nicht lange. Und schon fährt uns nach kurzem Briefing ein Moped voraus zu Stellmöglichkeiten. (Campgrounds gibt es im gesamten Stadtgebiet von Fes nicht. Stellplätze ja, möglicherweise mit Übernachtungsmöglichkeit.) Wir parken. Said bietet sich auch als Führer an, allerdings zu einem für uns unakzeptablem Preis. Jürgen bleibt stur, nennt seinen Preis, daraufhin verlässt er uns. Natürlich kommt er zurück und wir erhalten eine 3-Stunden-Führung für 15 EUR. Er erklärt uns die Stadt mit Einsichten in das tägliche Leben, wir besuchen Karawansereien und gelangen in den geschäftigen Teil des Souks. Wir besichtigen eine Gerberei von einem Dach eines Geschäftes aus, besuchen eine Berberweberei und ein Geschäft, in dem sich Jürgen zu Djellabahs umsehen kann. Sie passen leider nicht. Ich hätte gerne noch mehr Zeit in der – im Vergleich zu Marrakesch – weitläufigeren Medina verbracht, eingekauft, gegessen, fotografiert, beobachtet. Leider ging es im Schnelltempo durch die Gassen. Zurück in der Strasse überraschen uns die 27 Grad Aussentemperatur.

Übernachten werden wir 2 Nächte an einem gut geführten und grossen Campground ausserhalb des Zentrums unter Eukalyptusbäumen. Wir können die Zeit gebrauchen, um zu duschen, Wasser zu tanken, zu entsorgen und Jürgen macht die Wäsche. Der Campground ist der einzige, den ich im Umkreis ausfindig machen konnte und wird auch von geführten Touren angefahren. Gestern reger Betrieb mit Franzosen – heute Holländer. 2 Tage auf dem Platz waren jetzt auch gut und ausreichend für unsere Orga. Ich bin froh, dass wir dieses Vakuum wieder verlassen.

 

Wir statten auch noch Carrefour, einer grossen Supermarktkette, die es überwiegend in grösseren Städten gibt, einen Besuch ab. Hier findet sich Dinge, die man in den kleinen Kiosken und Läden sonst kaum kaufen könnte – nahezu europäisches Sortiment. Auch wollten wir unseren Biervorrat aufstocken. Momentan hat jeder für sich noch knapp kalkulierte 9 Dosen. Für Alkohol mussten wir allerdings zu dem Mitbewerber Marjane. In einem eigens für Alkohol eingerichteten Laden hat man ein mehr als gut sortiertes Angebot an Bier, Wein und Spirituosen.

In Taounate, weiter Richtung Norden, besucht Jürgen einmal wieder einen Barbier. Er lässt sich einen neuen Bart stehen. Kurz nach Taounate halten wir an einem kleinen See, der in der vorderen Hälfte ausgetrocknet ist und fahren noch weiter hinter ans Wasser, fernab der Landstrasse. Für die Einheimischen scheint es ein Naherholungsgebiet zu sein, so viel Betrieb ist dort mit Familienausflüglern, Pärchen, Gruppen von Jungen, Anglern, betenden Männern und Auto waschenden Männern. Ansonsten sind noch Esel, Hühner, streunende Hunde und einzelne Kühe, die man erst hier im Norden zu Gesicht bekommt, unterwegs. Jürgen futtert einen Streunerhund und ‘tränkt’ Gruppen von durstigen Jungen an der Aussendusche, die mit der Geste Daumen am Mund bei ihm vorstellig wurden. Im Leben hätte ich nicht geahnt, dass wir hier nicht bleiben dürfen. Mehrere Männer warnen uns diesmal vor Drogenabhängigen und fordern uns auf, an der nächsten Tankstelle zu übernachten. Ich weiss schön langsam nicht mehr, was ich davon halten soll. Ein Mopedfahrer fährt voraus. Wie sich herausstellt, ist er Polizist in zivil und fotografiert unsere Pässe. Er hatte auch angeboten, für uns Essen zu besorgen.

Am nächsten Tag geht es gleich wieder los. Weiter durch das schöne Rif-Gebirge mit seinen unterschiedlichen Grün- und Brauntönen. Mit einer Länge von 350 Kilometern geht das Rif-Gebirge aus dem Atlas-Gebirge hervor. Im Norden grenzt das Rif an das Mittelmeer. Die höchste Erhebung ist Jbel Tidirhine mit lediglich 2448 Metern. Jürgen lässt in der Nähe von Ketama, dem Epizentrum des Drogengeschäfts, den Lkw waschen. In der Zwischenzeit trinken wir mit dem Hausherrn Tee und er dreht sich eine Haschzigarette. Nach ein paar Zügen bin ich ganz schön angeschuggert. Auf den weiteren Kilometern spielen sich unwirkliche Szenen ab. Eine ganze Gegend versucht, uns Drogen zu verkaufen. Entweder sie halten ihre Ware in die Luft oder sie deuten einen Zug an der Zigarette an, indem sie zwei Finger zum Mund führen. Anfangs dachten wir noch, jemand wollte uns um eine Zigarette anschnorren, wie schon so oft. Wir haben uns täuschen lassen. Tatsächlich wollte er uns Stoff verkaufen mit seiner kleinen Tochter auf dem Arm. Teilweise sind die Stunts krimireif. Wir werden verfolgt und überholt, um sich wieder vor uns aufzubauen. Lichthupen. Ein Auto überholt uns und zwei Kinder recken sich aus dem hinteren Fenster mit der heissen Ware in der Hand. Sogar kleine Kinder am Strassenrand machen pantomimisch die Geste. Nach einigen Kilometern wird es wieder ruhiger. Irgendwo später halten wir mal an, werden angesprochen und erhalten ein Angebot für 1 Kilo. Hier läuft es anscheinend in ganz anderen Grössenordnungen.

Es war ein langer Tag heute. Mittlerweile sind wir in Chefchaouen, der Blauen Stadt mit etwa 45.000 Einwohnern, und übernachten nahe des Zentrums auf einem bewachten Parkplatz. Heute, so spät am Nachmittag, sind wir nicht mehr in der Stimmung für einen Besuch – morgen wieder.

Chefchaouen habe ich mir blauer vorgestellt. Die blaue Farbe soll vor dem bösen Blick schützen und im Sommer kühlen. Es ist ein netter Ort mit guten Einkaufsmöglichkeiten aber weiter springt der Funke nicht über. Wir spazieren ein bisschen, trinken Tee und fahren weiter Richtung Mittelmeerküste. Immer noch kurvig und einmal quer durch den Nationalpark Talassemtane. An der Küste hangeln wir uns voran, auf der Suche nach einem Stellplatz am Meer. Kurz vor Tetouan, in Amsa können wir laut Militär auf dem Kiesparkplatz in zweiter Reihe, ein paar Meter hinter dem Strand, frei stehen. Die Gänse am Ufer meckern. Die Frösche in der Nachbarschaft hören sich an, als wären sie kleine Presslufthammer. Auf der nächsten Suche nach einem neuen Platz fahren wir über Tetouan hinaus bis nach Martil, einem Küstenort mit zirka 70.000 Einwohnern. Wir finden Platz auf einem organisierten Parkplatz an dem weiten Sandstrand, von wo auch die Fischer mit ihren Netzen rausfahren. In der Saison dürfte es hier sehr touristisch zugehen. Schon jetzt wird der Strand von Besuchern genutzt. Das Wasser hat 19 Grad. An einer der Hauptstrassen essen wir zur Abwechslung Chawarma vom Drehspiess und zurück am Parkplatz nehmen noch einen Sundowner an unserer kleinen Promenade. Bis Tanger (zur Fähre) wären es von Martil aus nur noch etwa 60 Kilometer, dessen Nähe wir aber derzeit eigentlich noch nicht suchen, da wir noch 2 Wochen verbleibende Zeit in Marokko haben.